Als „Totholz“ bezeichnete ein bekannter deutscher Online-Marketer das Papier in einem Beitrag vor ein paar Jahren. Nomen estOmen? Sind gedruckte Planer und Bücher nicht nur „totes Holz“, sondern wirklich tot?
Eines vorweg: Dass bedrucktes Papier bald aus unserem Alltag verschwindet, ist so wahrscheinlich wie die baldige Realisierung der schwebenden Autos aus „Zurück in die Zukunft II“. Papier hat einfach unnachahmliche Vorteile! Wir haben für euch die wichtigsten Studien zum Thema analysiert. Die Botschaft lautet: „Das Beste aus beiden Welten zusammenbringen!“
Lernnotizen: Paper Wins!
Wer sich Notizen machen muss, z.B. zu Vorträgen oder Besprechungen, steht vor der Entscheidung: lieber Notebook oder Notizbuch? Die US-amerikanische Studie The Pen is Mightier than the Keyboard von 2014 legt nahe, dass das Papier der digitalen Niederschrift insgesamt überlegen ist. Die Wissenschaftler Pam Mueller und Daniel Oppenheimer untersuchten in ihrer Studie, ob handschriftliche oder Laptop-Notizen effektiver sind. Den Studienteilnehmern wurde ein Video vorgeführt, zu dem sie sich Notizen machen sollten. Danach erhielten sie Ablenkungsaufgaben und zum Schluss wurde ihr Wissen über das zuvor gesehene Video abgefragt.
Die Ergebnisse: Die Notebook-Gruppe schrieb zwar wesentlich mehr, hatte jedoch keinen Vorteil beim Faktenwissen. Bei den Verständnisfragen schnitt sogar die Handschrift-Gruppe signifikant besser ab. Sogar noch nach einer Woche konnte diese aus ihren Notizen mehr Wissen ziehen als die Notebook-Gruppe. Interpretiert werden die Resultate so, dass das hohe Schreibtempo am Laptop dazu verleitet, ganze Inhaltsblöcke 1:1 zu übernehmen, ohne sie wirklich zu verstehen. Deswegen – und auch weil es auf Papier weit einfacher ist, komplexe Strukturen wie Mindmaps oder geometrische Figuren zu erzeugen – sind handschriftliche Notizen den computergenerierten klar überlegen. Nur wenn es um reine Geschwindigkeit geht,kann der Laptop seine Vorzüge ausspielen.
Notizbuch: Papier, digital oder beides?
Notizbücher sind genial,um unterwegs Gedanken festzuhalten, sodass man sie später reflektieren kann.Die Frage „Papier oder digital?“ entscheidet sich hier, anders als bei Mitschriften, nicht an der Verarbeitungstiefe, sondern an der Verwaltung und Zugänglichkeit der Inhalte.
Das gute alte Print-Notizbuch ist weiterhin ungeschlagen, wenn es um Individualität, Stil und Kreativität geht. Die im vorigen Abschnitt beschriebenen Vorteile des Per-Hand-Schreibens gelten auch hier. Digitale Notizbücher wie Evernote oder OneNote haben jedoch inzwischen mächtig aufgerüstet und locken mit zahlreichen Funktionen wie dem Einbinden von Audio, Bildern und Videos sowie natürlich der geräteübergreifenden, weil cloudbasierten Verwaltung der Inhalte. Nun hat man die Qual der Wahl: Hier das stylische Leder-Notizbuch, das man aber weder nach Begriffen durchsuchen noch per Smartphone bedienen kann; dort die App, die zwar eine digitale Spielwiese ist, aber den natürlichen Schreibdrang vermittels fummeliger Smartphone-Tastaturen abwürgt.
Eine Lösung ist,zweigleisig zu fahren. Für Inhalte, die später abgerufen oder geteilt werden,verwendet man das digitale Notizbuch; geht es um ganz private Gedanken und persönliche Reflektion, hält man diese auf Papier fest.
Kalender: Zweigleisig fährt am besten
Vom Notizbuch zum Kalender bzw. Timer ist es nur ein Schritt. Auch hier stellt sich wieder die Frage: Papier oder Digital? Die Antwort hängt auch hier davon ab, wofür du einen Timer brauchst:
Reine Terminverwaltung: Das ist dann der Fall, wenn man viele Einzeltermine hat, darunter auch sich wiederholende Ereignisse, die in keinem Zusammenhang zueinander stehen. Längerfristige Aufgaben und Projekte spielen keine Rolle. Termindaten sind zumeist vorgegeben.
Projektbezogene Terminverwaltung: Hier geht es um Termine, die sich aus eigenen Vorhaben (betrieblich oder privat) ergeben. Die Termine stehen also in einem Zusammenhang, Terminierungen und Deadlines musst du in vielen Fällen selbst setzen.
Für die reine Terminverwaltung scheinen digitale Kalender ganz klar das Mittel der Wahl zu sein. Oder möchtest du wirklich in deinem Printkalender 52 Mal den sich wöchentlich wiederholenden Jour Fixe eintragen? Außerdem kannst du andere Menschen zu Terminen einladen und behältst den Überblick, wer zugesagt hat.Terminerinnerungen sind ebenso möglich wie der geräte übergreifende Zugriff.
Doch sobald Aufgaben mit Terminen verknüpft und längerfristige Planungen vorgenommen werden müssen,kommen die digitalen Kalender an ihre Grenzen. Jetzt spielen Print-Timer wieder weekview Businessplaner ihre Vorzüge voll aus. Quartals- und Wochenübersichten sowie spezielle Seiten zum Verfolgen von Zielen machen es einem leicht, auch die „weichen“ Aspekte der Terminplanung zu berücksichtigen.
Fazit: Da die meisten von uns beide Arten von Terminplanung praktizieren, lohnt sich Zweigleisigkeit.
Lesen: Papier klar überlegen, aber…
Auch wenn es nicht direk tetwas mit Terminverwaltung zu tun hat: Es ist doch interessant, zu sehen wie Papier und Bildschirm in Bezug auf die Leseleistung abschneiden. Eine norwegische Studie von 2013 zeigt klar, dass von Papier Gelesenes besser behalten wird. In der Untersuchung bekamen zwei Gruppen von Schülern den gleichen Text, einmal in gedruckter Form und einmal als PDF am Bildschirm. Die Printgruppe schnitt bei anschließenden Leseverständnis-Tests deutlich besser ab.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Da ist zum einen die Strahlung von Computerbildschirmen, die die Augen ermüdet und durch ihr bläuliches Licht die Melatoninproduktion unterdrückt. Der Mangel an dem Schlafhormon schlägt besonders bei spät abends gelesenen Inhalten durch, da das Einschlafen schwieriger wird. Ausreichend Schlaf ist aber entscheidend für die Gedächtnisleistung.
Zum anderen sorgen die vielfältigen Ablenkungen an Monitoren dafür, dass die Konzentration in den Keller geht. Und natürlich kann man sich auf bedrucktem Papier viel leichter Notizen zum Gelesenen machen – siehe Punkt 1. Nicht umsonst kauften sich laut einer Studie der Washington Post 25 % der Teilnehmer auch dann gedruckte Textbücher, wenn die Onlineversion kostenlos war.
Sind eBooks dann also völlig verfehlt? Nicht ganz. Moderne eBook-Reader schaffen ein immerhin augenfreundliches Leseerlebnis. Und die digitale Darbietungsform hat ganz klar ihre Vorzüge. So kann man Bücher durchsuchen, markierte Stellen auflisten und digitale Notizen machen. Amazon bietet in seiner eBook-App „Kindle“ inzwischen sogar sogenannte Flashcards, das sind digitale Lernkarten. Zuhause erstellt,unterwegs auf dem Smartphone die Inhalte wiederholt – dass das erstaunlich gut klappt, kann ich aus eigener Erfahrung bezeugen. Die Wahl zwischen Buch und eBook sollte sich also daran entscheiden, ob man das Buch sehr stark„bearbeitet“, z.B. für eine wissenschaftliche Arbeit (dann ist digital die Wahl), oder es nur für das persönliche geistige Wachstum konsumiert (dann gewinnt Print).
Gesamtfazit: Von Totholz kann nicht die Rede sein. Papier lebt mehr denn je, gerade weil durch die digitale Konkurrenz seine Vorzüge noch mehr herausstechen. Der kluge Anwender wird sich seinen eigenen Mix aus beiden Welten basteln.
Autor:
Alin Cucu
graceperformancecoaching.de