Out of Hamsterrad: Wirst du noch gelebt oder lebst du schon?

„Raus aus dem Hamsterrad!“ Hast du den Spruch schon mal gehört? Es ist trendy geworden, vor allem bei den Generationen X und Y, vom „Ausstieg aus dem Berufstrott“ zu reden. Selbstständig solle man sich machen, sein eigener Chef werden.

Das mag für manche klappen, geht aber an der wirklichen, tiefer liegenden Frage vorbei. Die lautet: „Lebe ich (proaktiv) oder werde ich (passiv) gelebt?“ Im Folgenden möchte ich dir zunächst ein paar Indikatoren an die Hand geben, anhand derer du ein „Gelebtwerden“ erkennst. Darauf folgen einige Tipps, wie du das Hamsterrad tatsächlich verlassen kannst.

Indikatoren fürs „Gelebt werden“

Die Beschreibung des Phänomens „Gelebt werden“ ist zugleich sein erster Indikator: nämlich das Gefühl, durchs Leben getrieben zu werden und selbst nur noch wenige Justierungsmöglichkeiten zu haben, ähnlich einem Kajakfahrer, den ein Wildbach mitreißt. Nun ist so ein Gefühl vielleicht ein bisschen vage. Deshalb hier noch konkretere Fingerzeige:

„Keine Zeit“. Wenn du damit oft, und vor allem reflexartig, Anfragen ablehnst, stimmt wahrscheinlich etwas nicht. Überlege mal, unter welchen Umständen die Antwort „Keine Zeit“ legitim ist. Zum einen natürlich, wenn du zum angefragten Zeitpunkt tatsächlich schon einen anderen Termin hast. Weiterhin auch dann, wenn du zwar keinen Termin hast, dich jedoch das Akzeptieren der Anfrage Zeit kostet, die du für andere Aufgaben brauchst. Aber mal Hand aufs Herz: Bei wie viel Prozent deiner „Keine Zeit“-Entgegnungen traf eine der beiden Bedingungen zu? Oder steckt doch hinter „Keine Zeit“ eher „Keine Lust“ oder die diffuse Angst, sein ohnehin schon gefühlt übervolles Leben gänzlich zu überfrachten? Beides würde darauf hindeuten, dass man sich viel zu wenig Gedanken darüber gemacht hat, was man eigentlich mit seiner Zeit anstellen will – ein fruchtbarer Nährboden fürs Gelebtwerden.

Ständige Unruhe und Hektik.

  • Fühlst du dich dauerhaft unruhig und hektisch/gestresst?
  • Sagst du oft, du seist gestresst?
  • Oder bekommst du von anderen sogar das Feedback, so zu wirken?

Auch dahinter steckt ziemlich sicher, dass nicht du dein Leben lebst, sondern andere Faktoren es bestimmen. Auch wenn jeder davon spricht, gestresst zu sein, und es von vielen sogar als Qualitätsmerkmal einer wichtigen oder doch zumindest fleißigen Person gesehen wird: Stress ist kein Gütesiegel, sondern ein ernstzunehmendes Symptom, das vermeidbar ist.

Dazu hilft es, sich vor Augen zu führen, was Stress biologisch überhaupt ist und welche Funktion er erfüllt. Stress wird durch Stressoren ausgelöst, die in aller Regel Bedrohungen sind oder als solche aufgefasst werden. Daraufhin wird über die Thalamus-Hypothalamus-Achse die Nebenniere zur Bildung des bekannten Stresshormons Adrenalin angeregt. Blutdruck und Herzfrequenz steigen, der Blutzucker erhöht sich. Die Verdauung wird unterdrückt, Aufmerksamkeit und Körperspannung erhöhen sich. Mit anderen Worten: der Körper ist im Alarmzustand. Das mag Sinn machen, wenn eine echte Gefahr droht, aber als Dauerzustand ist das Gift.

Wenn du dauerhaft gestresst und dadurch unruhig und hektisch bist, erlebst du also das Leben unterbewusst als Dauerbedrohung. Das deutet darauf hin, dass du zu wenig Kontrolle über dein Leben hast, was daran liegen kann, dass ständig Fremdfaktoren in dein Leben hineinfunken.

„Meine Ziele…?“ Wie antwortest du, wenn jemand dich nach deinen (Jahres- oder Lebens-) Zielen fragt? „Gelebte“ Menschen kommen hier schnell ins Stottern, oder geben vage Allgemeinplätze als Antwort. Klar, sie haben sich ja auch keine Gedanken gemacht, wo sie eigentlich hinwollen! Stelle dir vor, du würdest so Auto fahren. Klarerweise würden dann alle möglichen Faktoren deine Destination bestimmen, z.B. die Verkehrslage, spontane Einfälle oder das Wetter, aber nicht deine eigene Zielsetzung.

Was kann ich tun, um proaktiv zu leben?

Zusammenfassend kann man über die o.g. Indikatoren sagen: Wo keine eigenen Ziele feststehen, diktieren externe Faktoren das Leben. Ein „Vakuum“ gibt es in dieser Hinsicht nicht. Deswegen musst du zunächst im Bereich Vision und Ziele dein Leben „zurückerobern“. Viele Zeitgenossen, die sich selbst die Diagnose „ich werde gelebt“ stellen, fangen sofort mit technischen Details des Zeitmanagements an. Die kommen jedoch erst an zweiter Stelle. Entscheidend ist Proaktivität: aktiv werden, bevor man aktiv werden muss.

Entwickle eine eigene Lebensvision

Gelebten Menschen fehlt es an Zielen, oder aber ihre Ziele sind einfach übernommen von der Gesellschaft oder dem Elternhaus. Um die richtigen Ziele fassen zu können, brauchst du erst einmal eine Lebensvision, eine Antwort auf die Frage „Wofür lebe ich?“ Dazu braucht es keine philosophische Abhandlung, sondern ganz praktisch Klarheit darüber, für welches große Ziel man sich eigentlich einsetzen will. Dieses Ziel sollte einen wirklich bewegen und den eigenen Begabungen entsprechen. Natürlich können es auch mehrere Ziele sein. Ach ja, und natürlich können sich auch Lebensziele im Lauf der Zeit ändern; gar keines zu haben, ist jedoch die schlechteste Option.

Einen Anfang in Richtung Lebensvision kannst du z.B. mit meinem Arbeitsblatt „Ihre Vision entwickeln“ machen. Ein richtiger Booster zum Finden der Lebensvision kann Coaching sein.

Setze selbst deine Agenda

Als Nächstes geht es darum, die Vision konkreter werden zu lassen. Dazu braucht es Ziele. Damit die allerdings Wirklichkeit werden, musst du sie aufschreiben. Zum Beispiel im Tagebuch, oder noch besser in deinem Timer. Und zwar dann, wenn der Timer noch leer ist! Perfekt eignen sich der Jahresübergang sowie die Nahtstellen zwischen den Quartalen (die oft mit Urlauben zusammenfallen). Der Clou ist, dass, sobald du als Erste(r) die Ziele setzt, du den Vorrang hast, getreu dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Stell dir vor, du hast das Ziel Japanisch zu lernen und blockst dafür wöchentlich zwei Abende. Nun kannst du mit gutem Gewissen „Keine Zeit!“ sagen, wenn jemand dich zu jener Zeit anfragt.

Zeitmanagement: vom Großen zum Kleinen

Du kennst die Analogie bestimmt. Wie füllst du einen Behälter mit Steinen verschiedener Größe und Sand möglichst voll? Klar, zuerst die großen, dann die immer kleineren und zum Schluss den Sand. In Bezug auf Zeitmanagement bedeutet dies: Erst die großen Ziele, die dir am wichtigsten sind, dann die sekundären usw. bis du schließlich bei den Sachen ankommst, die „nice to have“, aber weder wichtig noch dringend sind. Wie unterscheidest du die Arten von Zielen? Dazu hat sich das sog. „Vier-Quadranten-System“ bewährt:

Regelmäßige Reflektion

Als Letztes möchte ich dir noch regelmäßige Reflektion ans Herz legen. Nimm dir wöchentlich Zeit – ich tue es Samstagabend – sowie am Ende eines Quartals sowie des Jahres und evaluiere die vergangene Periode. Äußere Ereignisse („Was ist gut/schlecht gelaufen“) sollten dabei genauso betrachtet werden wie innere Vorgänge („Wie habe ich mich dabei gefühlt“). Auf diese Weise lernst du aus Fehlern und Erfolgen, und du bekommst ein viel besseres Gefühl dafür, was du willst und was nicht – was wiederum das beste Antidot gegen die oben erwähnte Ahnungslosigkeit ist.

Erfolgreiches „proaktiv leben“ wünscht dir


Autor:

Alin Cucu
graceperformancecoaching.de